Psychosomatische Einflüsse auf Entstehung und Verlauf der Koronaren
Herzerkrankung durch depressive Erkrankungen
Studien beweisen markanten Einfluss der Seele auf das Herz. Bei wenigen somatischen Erkrankungen ist der hochsignifikante Einfluss psychischer Faktoren auf Entstehung, Verlauf und Mortalität empirisch so gut belegt wie im Falle der Koronaren Herzerkrankung (KHK) und des Herzinfarktes (HI) (Übersichtsarbeiten siehe z. B. Roose et al, Am. J. Cardol. 86:38F, 2000; Musselman et al, Arch. Gen. Psychiat. 55:580, 1998; Glassman et al., Am. J. Psychiat. 155:4, 1998). Dass psychische Faktoren und Psychotherapie bei KHK und HI eine bedeutende Rolle spielen, zeigt die aktuelle Datenlage mit weit über 100 großen, in exzellenten Journalen publizierten Studien allein seit 1995. Durch gut kontrollierte und z. T. über Jahre hinweg prospektiv angelegte Untersuchungen aus jüngerer Zeit (siehe unten) ist belegt: Depressive Erkrankungen, fehlende soziale Unterstützung und eine Stress-s-Verarbeitung, bei welcher Ärgergefühle regelmäßig unterdrückt werden ("a tendency to suppress negative emotions", auch als "Typ D-Persönlichkeit" bezeichnet, siehe dazu auch unten), sind signifikante Risikofaktoren nicht nur für die Entstehung und den Verlauf der KHK, sondern auch für kardiale Rezidivereignisse und die kardial bedingte Mortalität. Die Depression wird bei Herzkranken oft nicht erkannt. Zusammenhänge zwischen KHK und depressiven Erkrankungen blieben lange Zeit unbeachtet, da depressive Störungen von Nicht-Psychiatern bzw. Nicht-Psychosomatikern häufig nicht erkannt wurden und werden. Wie in zahlreichen neueren Untersuchungen übereinstimmend gefunden wurde, beträgt die Prävalenz signifikanter depressiver Störungen sowohl bei KHK-Patienten insgesamt als auch bei Patienten vor und nach Herzinfarkt mindestens 30%, darin enthalten eine Prävalenz schwerer Depressionen ("major depressive disorder" / MDD) von mindestens 16-17% (Frasure-Smith et al., Circulation 101:1919, 2000 und 91:999, 1995; Ahto et al., Family Practice 14:436, 1997; Lesperance et al., Psychsom. Med. 58:99, 1996; Hance et al, Gen. Hosp. Psychiat. 18:61, 1996). Die Prävalenz der Depression liegt bei männlichen höher als bei weiblichen Herzpatienten. Depressive Erkrankungen erhöhen das Risiko der Koronaren Herzkrankheit. Depressive Erkrankungen bei herzgesunden Personen bedeuten eine signifikante Erhöhung des Langzeit-Risikos für die KHK und den Herzinfarkt. Die Risikoerhöhung durch Depression übertrifft sogar jene von "klassischen" Risikofaktoren wie Triglycerid- (Blutfett-) oder Cholesterinerhöhung: Mehrere über einen Zeitraum von 7 bis 10 Jahren (in einem Fall sogar über 40 Jahre) durchgeführte Verlaufsstudien an Kollektiven von jeweils hunderten bis tausenden von Personen belegen, dass depressive Störungen bei herzgesunden Personen das langfristige Risiko einer KHK, eines Herzinfarktes sowie eines Herztodes um das 1,7- bis 2,1 -fache erhöhen (z. B. Ferketich et al., Arch. Int. Med.160:1261, 2000; Ford et al., Arch. Int. Med. 158: 1422, 1998; Barefoot et al., Circulation 93:1976, 1996). Anders als im Mittleren Lebensalter, in welchem Frauen und Männer gleich betroffen sind, gilt diese Erhöhung des KHK-Risikos durch Depression im Alter nur noch für Männer, und auch da nur noch, wenn es sich um eine im Alter neu aufgetretene Depression handelt (Mende de Leon et al., Arch. Int. Med. 158:2341, 1998; Sesso et al., Am. J. Cardiol. 82:851, 1998; Penninx et al., Am. J. Cardiol 81:988, 1998). Wer also mit einer seit jüngeren bzw. mittleren Jahren bestehenden Depression das Alter erreicht hat, ohne herzkrank geworden zu sein, ist gleichsam "aus dem Schneider". Bei Herzkranken hat die Depression einen negativen Einfluss auf den Verlauf. Auch nach bereits eingetretener KHK bzw. nach einem Herzinfarkt bleiben seelische Faktoren von kritischer Bedeutung. Bei Patienten mit gesicherter KHK erhöht eine zusätzlich vorliegende Depression das langfristige Mortalitätsrisiko um den Faktor 1,7 bis 1,9 (Horsten et al, Eur. Heart J.21: 1072, 2000; Barefoot et al., Am. J. Cardiol. 78:613, 1996). Fehlende soziale Unterstützung, die als Risikofaktor vor allem für weibliche Herzpatientinnen eine besondere Rolle spielt, erhöht das langfristige Risiko kardialer Mortalität sogar um das 2,3-fache. Eine Studie, die Kardiologen besonders aufhören lassen sollte, zeigte, dass eine zum Infarktzeitpunkt vorhandene Depression die kardiale Mortalität innerhalb der folgenden 12 bis 24 Monate um das 2,4- bis 3,6 -fache erhöht (z. B. Frasure-Smith et al., Psychosom. Med.61: 26, 1999; Irvine et al., Psychosom. Med. 61:740, 1999). Unterdrückung von Ärger: erhöhte Gefahr der Koronaren Herzkrankheit. Nicht nur die Depression, auch eine das Individuum besonders belastende Art der Stressverarbeitung scheint das langfristige Risiko für die KHK und den Herztod zu erhöhen: Langzeitbeobachtungen (über 6-10 Jahre) einer belgischen Arbeitsgruppe berichten von einer über 4-fachen Erhöhung des langfristigen Herzrisikos (incl. Mortalität), wenn zum Ausgangszeitpunkt herzgesunde Personen eine Tendenz zur Unterdrückung negativer Emotionen aufweisen (was auch als "Typ D-Persönlichkeit" bezeichnet wurde) (Denollet et al., Circulation 97: 167, 1998; Denollet et al., LANCET 347:417, 1996). Warum die Depression das Herz gefährdet: biologische Auswirkungen der Depression. Psychobiologische Untersuchungen belegen, dass Stress und Depression das autonome Nervensystem verändern, Hypertonie erzeugen, die Varianz der Herzfrequenz vermindern (eine Verminderung der sog. "Heart Rate Variability" HRV ist ein schwerwiegender Risikofaktor für den plötzlichen Herztod), Thrombozyten (und damit die Gerinselbildung) aktivieren und Blutfette verändern. Psychodynamische bzw. tiefenpsychologisch orientierte Psychotherapie hilft Herzkranken. Psychotherapie ist, wie über 23 kontrollierte Studien belegen, bei Herzpatienten effektiv (siehe eine Meta-Analyse von Linden et al., Arch. Int. Med. 156: 745, 1996). Psychotherapie hat sich als in der Lage erwiesen, Hypertonie und Tachykardie günstig zu beeinflussen, Cholesterin zu senken, das Risiko von Angina- oder Infarktrezidiven um dem Faktor 1,8 zu senken und das Risiko der Herztodes um den Faktor 1,7 zu vermindern. Allerdings haben kurze psychologische Behandlungen von wenigen Wochen, bei denen Stressmanagement u. Ä. im Vordergrund stehen, keine Effekte (Jones et al., BMJ 313: 1517, 1996). Auch Verhaltenstherapie erwies sich als eher schädlich und führte gar zur Zunahme arrythmischer Ereignisse (Kohn et al., Pacing Clin. Electrophysiol. 23:450, 2000). Daher sollten, bis weitere Untersuchungen vorliegen, psychodynamisch bzw. ttiefenpsychologisch orientierte Therapien über einen ausreichend langen Zeitraum (z. B. über etwa ein halbes bis 1 Jahr) den Vorzug erhalten. © Joachim Bauer |
Zum Seitenanfang |